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Heimvorteil

Heimvorteil
Runde Ecke - Ausgabe #117

Liebe Fußballpsychologen,

am Stammtisch und auf der Stadiontribüne, in Expertenrunden im Fernsehen, bei Taktik-Besprechungen in der Spielerkabine oder in der Sportwissenschaft, egal, wo über Fußball geredet, gefachsimpelt und geforscht wird: Der Heimvorteil spielt fast immer eine Rolle. Er ist ein Phänomen, das zum Mannschaftssport gehört wie die Aufstellung und der Teamgeist und doch schwer zu fassen ist.

Es gab z. B. Zeiten, in denen der 1. FC Kaiserslautern bei seinen Heimspielen auf dem Betzenberg als nahezu unbezwingbar galt. "Am besten schicken wir die Punkte gleich mit der Post dahin", sagte Paul Breitner in den Achtzigerjahren. In der Saison 1976/77 holte Kaiserslautern sagenhafte 82,8 Prozent seiner Punkte daheim, ein Rekord. Inzwischen hat der Betzenberg seinen Mythos verloren, heute gewinnt die Mannschaft mehr Spiele in der Ferne denn zu Hause. Aktuell liegt der Verein auf Platz 3 der Auswärtstabelle in Liga 2. In der Heimtabelle dagegen nur auf Rang 9.

Bei der Suche nach den Gründen tut sich die Wissenschaft eher schwer. Laut Psychologen der britischen Universität Northumbria, die bei Fußballspielern vor dem Anpfiff Speicheltests machten, sollen Profis bei Heimspielen einen erhöhten Testosteronwert aufweisen, besonders Torhüter und Stürmer. Entscheidend, sagen die Forscher, sei das Revierverhalten der Sportler. Die Spieler würden im eigenen Stadion ihr Zuhause sehen, das es zu verteidigen gelte.

Ob dies der alleinige Grund ist, mag man bezweifeln. Auf jeden Fall ist auffällig, dass während der Pandemie Auswärtsteams durchschnittlich mehr Tore schossen als vor der Pandemie. Ohne Zuschauer neutralisiert sich der Heimvorteil ein wenig. Somit machen Fans, der sog. 12. Mann, wahrscheinlich doch den Unterschied und kurbeln die Testosteronwerte der eignen Spieler an?

Ohne Zuschauer verpufft der Heimvorteil ein wenig

Nimmt man den letzten Spieltag, wäre wahrscheinlich die Testosteronwertmessung bei den Heimspielen nicht besonders auffällig gewesen, denn nur 4 Mannschaften konnten ihren Vorteil nutzen. U. a. setzte Leverkusen dabei seinen Lauf fort und ist nun seit acht Spielen ungeschlagen. Dieser Erfolg macht sich in der Tabelle bemerkbar. Man erinnere sich, am 2. Spieltag war das Bayer-Team noch Tabellenletzter. Nun ist man auf Platz 6 und damit auf einem Europapokalstartplatz angekommen. Dortmund wiederum konnte mit einem knappen Sieg die Unioner aus Berlin in der Tabelle auf Distanz und den Kontakt zum amtierenden Meister Bayern München halten.

Auswärts hingegen gab es für die ein oder andere Mannschaft eine Überraschung. Fast wie zu Zeiten der Pandemie, nur dieses Mal mit Zuschauern, schossen gerade Köln und Stuttgart erfreuliche 3 Tore in der Fremde, die am Ende sogar zum Erfolg ausreichten. Besagte Bayern und Leipzig hatten da mehr Schwierigkeiten. Beide Teams mühten sich zu 1:0 Siegen, wobei die Bullen von einem Kullertor profitierten, welches die Herthaner in Rage brachte. Aus Berliner Sicht war wieder einmal der Schiedsrichter an allem schuld, auch weil er zu lange brauchte, um die Torentscheidung zu treffen – da schwillt einem schon einmal sprichwörtlich der Kamm!

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Raphael hingegen braucht kein erhöhtes Testosteron, denn er schwimmt auch so momentan auf der Welle des Erfolges. Wer hätte das gedacht, die aktuelle Euphorie scheint ihn anzutreiben. Zweiter Tagessieg hintereinander. Der weitere Ausbau seiner Führung war nur die natürliche Konsequenz. Zugegebenermaßen glänzte nicht alles in Gold, was er so tippte. Denn bei seinem Lieblingsverein vertippelte er sich ein wenig. Nichtsdestotrotz läuft er wahrscheinlich aufgrund seines und des VfB-Auswärtssieges immer noch mit Stolz geschweltem Roten-Brustring durch das Hannover-Land, auch um sein Revier zu markieren.

Ob der VfB Stuttgart gegen Borussia Dortmund nach dem Sieg in Bochum seinen Heimvorteil nutzen kann, ist eine durchaus legitime Frage. Immerhin haben die Schwaben bis zu diesem Wochenende alle bisherigen mageren 4 Siege im heimischen Stadion erzielen können. Letzter in der Heimtabelle, und damit noch schlechter als die Canstatter, sind nur noch die Schalker. Im Westen der Republik kommt man auf dünne 3 Siege. Aber zum Glück kommt nun die Hertha aus Berlin vorbei. Damit trifft der Letzte der Heim- auf den Letzten der Auswärtstabelle. Da müsste doch etwas zu holen sein für die Gelsenkirchner Stadtteilheros. Ihr 12. Mann ist zwar leidgeplagt, aber zählt immer noch zu den lautesten und mitunter einfallsreichsten im Bundesliga-Showbusiness.

Euch erfolgreiche Tipps bei hoffentlich erhöhten Testosteronwerten.