Liebestöter
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Liebe Fußballliebhaber,
Yann Sommer war vergangene Woche in einer durchaus spektakulären Rettungstat gegen Kylian Mbappé zu bestaunen. Er blieb lange stehen und werte dann mit dem Gesicht den Schuss des französischen Außenstürmers ab. Auffällig dabei war wie immer, dass der Torhüter in einer Art Vollkörpermontur zugange war. Langes Untershirt, lange Unterhose. Wie einst Arjen Robben steht Yann Sommer nicht auf das Zuschau' stellen der bloßen Haut. Wo sonst mancher Torhüter selbst im Winter kurz/kurz aufläuft, um seine tätowierte Haut zu präsentieren, trägt der Schweizer lang/lang. Selbst ein Hals- oder Nackentattoo, wie u. a. der ManCity-Torhüter Ederson eins kurz unter dem Gesicht prangen hat, hätte es bei ihm schwer. Denn die halblangen Haare verdecken auch noch diese Stellen. Die Frage, die sich daher stellt, ist, ob die lange Unterhose, auch oft als Liebestöter verschrien, damit wieder in ist?
Nicht wirklich! Jeder erinnert sich wohl noch an die alten Westernfilme, in denen Terence Hill im fleckigen, feingerippten Long-John-Overall in einen Waschzuber stieg. Ansonsten trumpft die neuzeitliche lange Unterhose mit einer „eng anliegenden, maskulinen Passform“ auf, wie der Berliner Laden „Superschlüpfer“ sein grotesk-buntes Modell „Big Bro“ anpreist, das ausschließlich Liegeradfahrern imponieren dürfte. Andere Anbieter wie das Label Pump nennen ihr Modelle „Pump“ - äußerst intelligent. Da loben wir lieber die durch Schlichtheit und Selbstironie bestechenden Produkte des Traditionslabel „Schiesser“, deren Unterbuxen-Kollektion „Karl-Heinz“ jeden Kevin ziert. Aber trotz aller Selbstironie, wer trägt schon freiwillig Unterwäsche mit dem Namen Karl-Heinz?
Eines steht fest: Spätestens wenn der Master of Hipster David Beckham ein Selfie in Long Johns postet, wird die Welt mit Liebestötern überschwemmt. „Tagesschau“-Moderatoren werden sie tragen und Lothar Matthäus bei seinen vielen Sky-Interviews selbst noch im Frühling, David Garrett wird in ihr geigen und Horst Lichter in ihr kochen. Und Cristiano Ronaldo, der Möchtegern-Cowboy von al-Nassr FC, hat für seine Freistöße in Westernmanier endlich das passende Untenrum. Nur nie, nie, niemals wird er dabei so gut aussehen wie einst Terence Hill.
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Vielleicht liegt es auch am Nachnamen des Torhüters. Wer explizit auf Sommer programmiert ist, verträgt den Winter nicht so gut. Seine Vollkörperverkleidung hat leider besagtem Yann Sommer nichts gebracht und die Heimkehr nach Nordrhein-Westfalen ging sprichwörtlich in die Hose. In Unterzahl musste der Meister eine Niederlage hinnehmen und konnte den Fluch nicht ablegen. Wieder nicht gewonnen gegen die Borussia aus Mönchengladbach. Immerhin wurde Sommer vor dem Spiel gebührend verabschiedet und die Gladbacher, trotz bestehender Animositäten gegen die Roten, werden nun ihren Ex-Yann in den anstehenden CL-Spiel(en) unterstützen.
Die Borussia aus Dortmund nutzte hingegen die Gunst der Stunde und schloss durch ein souveränes 4:1 gegen Hertha BSC zu den Münchnern auf. Nach viel Pyro-Nebel zu Beginn der Partie stach der Flügelflitzer Karim Adeyemi zweimal zu. Wahrscheinlich sehr zur Freude von Terence Hill. Wie einst Erling Haaland, dem auserkorenen Lieblingsspieler von Terence während seiner Zeit in Dortmund, traf er einmal mit der Hacke und einmal war er überlegter Vorlagengeber. Damit war seine Arbeit für diesen Abend getan und er konnte in aller Ruhe verletzungsbedingt ausgewechselt werden.
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In Schusslaune und wahrscheinlich zu Fasching im passenden Cowboy-Outfit inkl. eng anliegender Unterwäsche präsentierten sich diese Runde Raphaello und Michael. Ob sie dabei heute mehr an Terence Hill oder gar an Bud Spencer erinnern, ist etwas schwer zu sagen. Aber fast jeder Tipp war ein Treffer. Am Ende bedeutete es für Michael den Spieltagessieg und für Raphael die Gewissheit, die Spitze nicht ganz aus den Augen verloren zu haben.
Nächstes Wochenende kommt es auf jeden Fall zum Shoot-out zwischen den Münchner und Ost-Berliner Cowboys. Zwar nicht während "High Noon", zu deutsch Zwölf Uhr mittags, aber zur besten Sendezeit an einem Sonntag. Der punktgleiche Tabellendritte zu Gast beim ewigen Meister in der Allianz Arena. Effizienz trifft auf eine immer wieder durchscheinende Borniertheit. Kleinkapital auf Großkapital. Rot auf Rot, was in Summe wieder Rot ergibt. Und Rot ist die Farbe des Körpers und des Blutes. In den monotheistischen Religionen steht die Farbe sogar für die Erschaffung der Menschheit. Mal sehen, ob die beiden Mannschaften einen neuen Tabellenführer gemeinsam erschaffen - oder ob am Ende Dortmund der lachende Dritte ist!
Etwas weiter unten in der Tabelle und zur ähnlichen Prime-Time, hier am Samstag-Abend, fordern im Abstiegskampf die Knappen aus Gelsenkirchen die Schwaben vom Neckar zum Duell. Blau-Weiss trifft auf Weiss-Rot, was in der Farbkombination ein blasses Hellblau ergibt (Rot hat dabei kaum einen Einfluss). Passend zum Abstiegskampf und passend zu einer langen Unterhosen-Kollektion von Schiesser. Im Übrigen, welche beiden Legenden beider Vereine tragen einen entsprechenden Vornamen? Exakt, Karlheinz Förster und Karl-Heinz Bechmann. Erstgenannten kennt wahrscheinlich jeder, zweitgenannter spielte in den 60er-Jahren für Schalke in der Bundesliga und war ein Jugendfreund und immerhin Trauzeuge von „Stan“ Libuda.
Bleibt noch zu erwähnen für alle, die davon nicht genug bekommen können, die Revival-Unterhose „Karl-Heinz“ gibt es auch in Kurzform. Viel Spaß beim Tippen!