Plötzlich Weltklasse
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Liebe Fußballexperten,
für das Prädikat Weltklasse im Fußball gibt es eigentlich keine allgemein verbriefte Definition. Selbst der ranglistenverliebte Kicker veröffentlicht keine detaillierte Auskunft zu den Kriterien über die Einstufung eines Spielers in die Kategorie „Weltklasse“. Wahrscheinlich weil dann die getroffenen Bewertungen leichter angreifbar würden. Ganz nach dem Motto, lieber ein wenig im Vagen bleiben, dann wird's schon jeder akzeptieren.
Immerhin einen Versuch wagt der DFB mit seiner Akademie und hat diesen auch veröffentlicht. In der Beschreibung wird in die Kategorien Basics, Teamrolle und Champion unterschieden und damit eine Annäherung gewagt:
- Top-Basics: Fußballerisches Können unter Druck – Souveränität in jeder Spielsituation
- Team-Rolle: Maximales Ausschöpfen individueller Qualitäten durch eine klare Rolle im Sinne des Teamerfolgs
- „Champion“: Herausragende Stärken als „Unterschiedsspieler – einzigartige Potenziale als „Spielentscheider“
Beim Thema Spielentscheider kann sich der geneigte Fußballfan wahrscheinlich am ehesten auf einen gemeinsamen Nenner einigen. Denn wer Spiele für seine Mannschaft entscheidet und am besten noch gleich die „entscheidenden“ Tore mitmacht, der ist einfach besser als die anderen. Zu mindestens auffälliger. Daher Weltklasse!? Im Übrigen wurde in der o. g. Kicker-Rangliste ein Spieler seit Bestehen ganze 27-mal mit dem Prädikat Weltklasse versehen. Der Zweitplatzierte liegt gerade einmal bei 14 Einstufungen. Es ist wie nicht anders zu erwarten, unser Kaiser Franz höchstpersönlich. Ich muss gestehen, da kann ich mitgehen. Beckenbauer war einmalig, er war Weltklasse!
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Omar Marmoush hat sich in der zu Ende gegangenen Halbsaison die Auszeichnung „Plötzlich Weltklasse“ verdient. Diese muss noch erfunden werden, aber wäre sicherlich eine Bereicherung für jede Stammtischfußballklassendebatte. Seit seinem Auftauchen in Deutschland und noch bis zu seinem ablösefreien Wechsel im Sommer 2023 von Wolfsburg nach Frankfurt war er nie im Kicker-Ranking mit dem Titel „Sturm“ zu finden. Und nun wechselt er für kolportierte 70-80 Mio. Euro auf die Insel, weil er in einer Hinrunde 15 Tore erzielt und 10 Assists gegeben hat. Wahnsinn!
Zugegebenermaßen, wenn wir den Ball von oben wieder aufnehmen und der Definition „Spielentscheider“ folgen, dann ist natürlich eine 63 %-ige Beteiligung an allen erzielten Frankfurter Toren ein Beleg für seinen Lauf und damit für eine unbestreitbare Qualität diese Saison. Man möchte an dieser Stelle aber gerne an Christopher Nkunku oder auch Randal Kolo Muani erinnern. Beide Stürmer wechselten mit dem Markenzeichen „internationale Klasse“, was eine Klasse unter Weltklasse sein soll, und mit viel Vorschusslorbeeren in die Premier League bzw. Ligue 1 anno Sommer 2023.
Nun, nach 1,5 Jahren ist für beide anscheinend die Luft schon wieder raus. Beide stehen zum Verleih oder gar Verkauf. Randal scheint zukünftig in Italien bei Juve auf Torejagd zu gehen. Auch keine schlechte Adresse, aber nicht mehr sehr erfolgreich. Christopher sucht aktuell noch, anscheinend sind gar die Bayern an ihm interessiert. Auch keine so schlechte Adresse, bekanntlich. Aber brauchen sie ihn bei ihrer Sturmbesetzung?
Nichtsdestotrotz, es kann schnell gehen von der internationalen oder gar Weltklasse in die sog. Holzklasse. Wie wir aber jetzt gelernt haben, auch ebenso plötzlich in diese absolute Edelklasse. Omar, hoffentlich bist du in Manchester auch weiterhin Spielentscheider!
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Tippentscheidend war diese Runde die genau vorausgesagte Anzahl der erzielten Tore. Wer hier besser war, hatte einfach mehr Punkte. Eine einfache Logik. Denn in maximal 5 Spielen (von 9) wurde überhaupt gepunktet. In den restlichen 4 hatten alle angetretene Tipper keinen Durchblick. Wie auch! Wer hat schon auf dem Schirm, das Bochum plötzlich einen 0:3 Rückstand noch aufholen kann und damit 3 Tore am Stück schiesst. Und das auch noch durch einen einzigen Spieler, ausgeliehen aus Frankreich. Oder das Hoffenheim wieder siegen kann und Heidenheim von St. Pauli sich einfach mal so auskontern lässt. Damit hält St. Pauli, in der Hinrunde immerhin 6-mal auf einem Abstiegsplatz, Anschluss ans Mittelfeld. Das ist noch nicht der Klassenerhalt, aber für den Kiez-Klub mit seiner ganz eigenen Weltanschauung bestimmt auch schon Weltklasse!