4 min read

Runde Ecke - Ausgabe #52

Grau is alle Theorie – entscheidend is auf'm Platz

Liebe Fußballintellektuelle,

Platon vor, noch ein Tor! So oder so ähnlich war wohl Freiburgs Fußballtaktik gegen die Dortmunder zu interpretieren. Mit anderen Worten, die Überraschung des Wochenendes lässt sich am besten so zusammenfassen: Grifo‘s Traumfreistoß passt, worauf Dortmund patzt - na ja, okay, Hauptsache ein wenig „gereimt“.

Seit jeher wird diskutiert, ob Fußball im Allgemeinen etwas für sog. Intellektuelle ist. Als Intellektueller wird ein Mensch bezeichnet, der wissenschaftlich, künstlerisch, philosophisch, religiös, literarisch oder journalistisch tätig ist, dort ausgewiesene Kompetenzen erworben hat und in öffentlichen Auseinandersetzungen kritisch oder affirmativ Position bezieht. Der Begriff „fußballerisch“ fehlt in der Aufzählung der entsprechenden Kompetenzen allerdings.

Anfang der 2000er löste sich der Fußball ein wenig aus seinem Nischen-Dasein und die Frage stand im Raum, ob Fußball dabei helfen kann die Welt auf „fußballintellektuelle“ Weise zu erklären. Diese Frage wurde ernsthaft von Journalisten, Dichtern und anderen rund um den bekannten Fan-Soziologen Dieter Bott diskutiert. Und dann war da urplötzlich im Jahr 2003 Rudi Völler auf Island und beschimpfte seine Kritiker. Dabei polterte er als Nationalmannschafts-Teamchef über „Käse“, „Schwachsinn“ und „Scheiß“, den er sich anhören müsse. Die FAZ kommentierte den Vorfall auf ihrer Titelseite, als wäre ein Staatsminister aus der Rolle gefallen. Den „Tagesthemen“ der ARD gab es nichts Wichtigeres und sie eröffneten ihre Berichterstattung damit. Selbst der damalige Autokanzler, der auch ein Fußballkanzler war, meldete sich zu Wort. Unfassbar!

Nun mag es überraschend klingen, sich mit dem gesellschaftlichen Aufstieg von Fußball auseinanderzusetzten. Festzuhalten bleibt aber, dass Fußball inzwischen die gängigste Metaphorik politischer Berichterstattung liefert. Heute begeben sich Sozialdemokraten sehr häufig ins Abseits, Freidemokraten sehen die rote Karte oder Grüne spielen sich gegenseitig aus (gibt es in der AfD oder bei den Linken eigentlich überlappendes Flügelspiel?). Das mag die Welt anschaulicher machen, aber warum Kicken gleich zum Welterklärungsmittel machen? Der früherer Meistertrainer des spanischen Großklubs Real Madrid, Vujadin Boskov, hat vor vielen Jahren herbergeresk tautologisiert: „Fußball ist Fußball.“ Und das ist eine ganze Menge – aber nicht mehr.

Ginge es nach dem ehemaligen Liverpool-Manager Bill Shakley, dann ist Fußball nicht nur Fußball, sondern einfach alles: "Es gibt Leute, die denken Fußball ist eine Frage von Leben und Tod. Ich kann Ihnen versichern, dass es noch sehr viel ernster ist." Und wenn etwas ernster ist als die Frage nach Leben oder Tod, dann kann man mit Fußball wahrscheinlich doch vieles erklären – probiert es einfach einmal aus!

Rudi Völler - Zwischen „Wüterich“ und ergrauter „Tante Käthe“

Ernüchterung

Am ersten Spieltag wurde noch vom überragenden (und überlappenden) Flügelspiel der Stuttgarter gegen die „Kräuter“ aus Fürth berichtet. Nach der heftigen Niederlage der Schwaben in Leipzig blieb Pellegrino Matarazzo nur die Erkenntnis, dass der Sieg der Bullen absolut verdient war. Ähnliches musste der Trainer von Mainz konstatieren. Bochum war einfach griffiger, ja am Ende sogar messihafter und hat die 05er clever ausgespielt. Adi Hütter dagegen sprach für seine Gladbacher von einem gebrauchten Tag. Irgendwie lief alles schief und mit 4 Gegentoren und 4 Verletzungen, die die Gladbacher einstecken mussten, ist die Fohlenelf aktuell sogar nur auf Relegationskurs.

Unweigerlich taten sich durch die etwas inkonstanten Leistungen der Bundesliga-Mannschaften die Tipper schwer, richtig Punkte zu machen. Als kleine Konsolidierung der Tipp-Tabelle könnte man es auch bezeichnen. Selbst sog. „lahme Enten“ (Nichttipper) verloren aus diesem Grund nicht zu viel an Boden. Andere verfestigten ihren Ruf als Tipp-Wundertüte. So konnte mit großem Abstand Lars den Spieltag klar machen. 5 Punkte Vorsprung auf den Zweitplatzierten und 3 Plätze nach oben. Konsequenterweise erfolgte dadurch auch ein Führungswechsel. Tippneuling F7K dagegen, ich vermute mal die 7 steht für einen bestimmten Spieler, musste ein wenig Lehrgeld bezahlen. 5 Punkte nach der ersten Runde sind nicht schlecht, aber ausbaufähig. Gleiches gilt im Übrigen auch für Siggi – aus 9 Tipps 2 Punkte zu ergattern ist noch ein wenig dürftig – aber die Saison hat ja gerade erst begonnen.

Kurioses Billardtor als der Auftakt zum Untergang

Weitblick

Eine schöne „Ausrede“ ist aktuell noch die Situation, dass es sich ja erst um den 3. Spieltag handelt, der nun ansteht. Grundsätzlich ist das richtig, aber einige Tendenzen lassen sich doch schon ableiten. Leverkusens „U23“ Mannschaft wird vermutlich noch für einige Furore sorgen. Augsburg kann nicht Angriffsfußball, was brenzlig werden könnte. Dortmund baut anscheinend nun immer einen Bock am 2. Spieltag (siehe letzte Saison in Augsburg). Und Hertha ist nicht überraschend Tabellenletzter – laut eigenem kampferprobten Trainer fehlte der Kampfeswille. Da benötigt es reflektierenden Weitblick, um nicht jetzt schon an der einen oder anderen Stelle zu verzagen.

Eröffnet wird das Wochenende durch ein Spiel im Signal-Iduna Park. Leicht verdatterte Dortmunder treffen auf solide Hoffenheimer. In Stuttgart kommt es für den VfB direkt zu einem richtungsweisenden Spiel. Sollte gegen Freiburg kein Sieg gelingen, wäre aus den Senkrechtstartern des ersten Spieltags urplötzlich nur noch die dritte Kraft im Ländle geworden. Das dürfte bei jedem Brustringanhänger schon ein wenig für Sorgenfalten „sorgen“. Machen die Bayern da weiter, wo sie am Sonntag aufgehört haben, dann wird es knapp gegen die Hertha. Bei einer Niederlage bleibt der „Alten Dame“ aber mit Sicherheit dann die Rote Laterne bis Mitte September (nach der Länderspielpause). Wolfsburg und Leipzig beenden folglich am Sonntag diese Runde. Der aktuelle Tabellenführer gegen die „bebrauste“ Offensivpower aus dem Osten. Das dürfte Hochspannung erzeugen in der oftmals stimmungsarmen Volkswagen Arena.

Euch ein stimmungsvolles und metaphysisches Wochenende

Euer Alfred „Adi“ Preißler

Adi nach dem Gewinn der Meisterschaft 1956: „Freunde, den Kuchenteller holen wir uns nächstes Jahr wieder!“