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Runde Ecke - Ausgabe #56

Nach der Wahl ist vor der Wahl

Liebe Fußballwähler,

die Qual der Wahl. Im Fußball beginnt alles mit der Seitenwahl. Dabei wird festgelegt, welche Partei zunächst in welche Richtung spielt, und welche mit dem Spiel beginnt. Es ist aber nicht wirklich eine Wahl, sondern mehr eine Auslosung, denn die Wahl wird per Münzwurf entschieden. Üblicherweise lässt der Schiedsrichter den Spielführer der Auswärtsmannschaft für Kopf oder Zahl bzw. für eine der beiden Farben der Münze entscheiden. Anschließend wirft der Schiedsrichter die Münze. Die erfolgreiche Mannschaft teilt dem Unparteiischen mit, in welcher Spielhälfte sie bis zur Halbzeitpause spielen wird. Die andere Mannschaft führt den Anstoß zu Beginn des Spiels aus.

So simple ist das. Sehr simple und einfach war es auch für die Leipziger im heimischen Stadion gegen Hertha BSC. Sie konnten praktisch durch die gegnerischen Reihen spazieren, wie sie wollten. Am Ende sprangen 6 Tore dabei heraus, welche die große Frage nach der Bundesligatauglichkeit der Berliner Mannschaft aufbrachte. Und natürlich die nach der Frage, ob die Vereinsführung den richtigen Trainer gewählt hat.

Ein „wählbarer“ Bundestrainer war seinerzeit fast Hans-Hubert „Berti“ Vogts. Der gern auch als Fußballkanzler bezeichnete Kleinenbroicher (seine Statements waren immer auf der Höhe der Zeit: „Argentinien ist ein Land, in dem Ordnung herrscht. Ich habe keinen einzigen politischen Gefangenen gesehen“ - Berti Vogts 1978 nach den Ausscheiden bei der WM in besagten Land) war im Jahr 1994 sehr stark angezählt, indem die „Bild“ dem damaligen Bundestrainer ein Kündigungsschreiben in millionenfacher Ausfertigung auf Seite eins präsentiert hatte. Nach dem unerwarteten Ausscheiden als ein Turnierfavorit bei der WM 1994 im Viertelfinale gegen Bulgarien und öffentlich ausgetragenen Querelen innerhalb der Mannschaft, z.B. um die Spielerfrauen oder den damaligen Nationaltorwart Bodo Illgner, soll ihn nach eigenen Angaben nur ein Telefonat mit dem damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl und die Solidarität des DFB-Präsidenten Egidius Braun vom Rücktritt abgehalten haben. Die Wahl des deutschen Fußballvolkes wäre aber höchstwahrscheinlich anders ausgefallen.

Wie schnell sich so etwas ändern kann, beweisen die Bilder aus dem Sommer 1996. Genau zwei Jahre später ist für Vogts der Beweis erbracht, dass er richtig gehandelt hatte. „Der klugen Hand von Bundestrainer Berti Vogts ist es zu verdanken, dass Deutschland im Endspiel steht“, so Innenminister Manfred Kanther in einer kleinen Laudatio nach dem Halbfinalsieg über Gastgeber England. Während die veröffentlichte Meinung kaum an einen überzeugenden EM-Auftritt glaubte, hatte Vogts unbeeindruckt ein Siegerteam geformt. Der Erfolg im Wembley-Stadion („Germany broke the lion hearts of England“, so der „Daily Express“) steigerte nicht nur das Ansehen der gesamten deutschen Fußballbranche, der Bundestrainer war damit allgemein nachträglich als hervorragender Sach- und Facharbeiter anerkannt. Mit dem Endspielsieg durch ein Golden Goal konnte er zu mindestens vorübergehend als der Stratege gesehen werden, der er immer so gerne sein wollte. Bis zu nächsten „Wahl“ im WM-Jahr 1998!

1996 vor der EM ging es Vogts nicht gut – Häme allenthalben, hier vom Satiremagazin „Titanic“

Qual der Wahl

Ein Trainer hat häufig die Qual der Wahl. Ein Kader verfügt oftmals über 24 Spieler oder mehr, fehlen aber sog. Schlüsselspieler, kann ein Spiel doch sehr schnell kippen. So geschehen in Mönchengladbach. Die Borussia aus Dortmund musste auf 2 entscheidende Offensivspieler verzichten (Reuss und Haaland) und wahrscheinlich auch deshalb die zweite Niederlage in der laufenden Saison hinnehmen. Umgekehrter Weise ist der Schlüsselspieler Kramaric von der TSG Hoffenheim zurück in der berühmten Spur und trifft wieder. Damit verhalf er seiner Mannschaft zu einem überraschend deutlichen Heimsieg gegen die bis dato sehr gut in die Saison gestarteten Wolfsburger. Ähnliches gilt für das noch sehr junge Ausnahmetalent aus Leverkusen. Zum wiederholten Mal wählte der Mittelfeldspieler Wirtz die richtige Entscheidung, dieses Wochenende sogar entscheidend für die Bayer-Elf. Mit dem Ergebnis von 1:0 könnte man Leverkusen fast als Wahlsieger des Spieltages ansehen – mit minimalen Aufwand viel erreicht.

Alle unsere Wahlmänner in der Tippwahlrunde konnten durch die Bank dieses Wochenende ordentlich Punkte einsammeln. Dies beweisen die nackten Zahlen. Mit einer Summe von 163 Punkten wurde das mit Abstand beste Saisonergebnis eingefahren. Noch viel mehr erreicht haben dabei Andrè und Michael, und dies mit überschaubaren Aufwand. Grundsolide die Tipplinie entlang Ergebnisse ausgewählt und nur in zwei Spielen sich verwählt. Das brachte ihnen jeweils 2 Plätze nach oben ein, aber nicht den klaren „Wahl“-Tippsieg. Wenn aber eine klare Entscheidung gefordert ist, dann sollten beide, nicht wie bei der BT-Wahl am Sonntag, dies endgültig ganz einfach durch einen Münzwurf klären. Manchmal wäre eine solche Vorgehensweise auf vielen Ebenen die einfachere und gerechtere Lösung.

Mit 18 Jahren schon ein entscheidender Faktor für sein Team – Florian Wirtz

Wählbar

Wenn man die Bundesligatabelle auswählen könnte, würde man wahrscheinlich den langjährigen Titelhamster aus München abwählen, um einfach mal wieder etwas mehr Spannung zu erzeugen. Wählbar zu sein, um die Tabellenführung übernehmen zu können, ist aber eine andere Frage. Da wird das berühmte Eis schon etwas dünner. Dortmund ist ohne Spitzenkandidaten(-spieler) nicht erste Wahl, könnte aber über den angeschlagenen FC Augsburg zu Haus triumphieren und sich im Titelrennen wieder etwas besser positionieren. Leverkusen gegen defensivstarke Bielefelder oder auch Wolfsburg gegen aufstrebende Gladbacher dürften es da schwerer haben. Lachender Dritter könnte der ungeschlagene SC Freiburg werden. Die Berliner in der Verfassung gegen Leipzig sollten kein schwerer Brocken sein.

Euch ein glückliches Händchen beim Ausfüllen des Tippzettels


Euer Hauke Finn Wahl

Fast immer erste Wahl in Kiel, der Spieler Hauke Wahl aus Hamburg