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Runde Ecke - Ausgabe #61

Schwäbisch, pragmatisch, gut

Liebe Fußballpragmatiker,

der Karlsruher SC steht aktuell in Liga 2 gar nicht so schlecht da. Sollte man meinen. Ein durchaus beachtliches Unentschieden gegen den HSV bedeutet weiterhin einen Platz im gesicherten Mittelfeld. Dabei brachte kürzlich das Karlsruher Erfolgsgeheimnis ein Spieler auf den Punkt: "Wir haben ein paar Ochsen in der Mannschaft, da sind Standards eine Waffe", sagt Philipp Hofmann. Einer dieser Ochsen ist er selbst: mit 1,95 Körpergröße bei schlanken 90 Kilogramm. Und dieses Gewicht setzte er bei seinem Tor gegen die Hamburger auch wieder sehr erfolgreich ein.

Karlsruhe macht sich auf, mit bald runderneuerten Stadion, ggf. mal wieder eine tragende Rolle im deutschen Fußball zu spielen. Für den SSV Ulm 1846 als ehemaligen Bundesligisten sieht es dagegen etwas anders aus. Nach mehreren Insolvenzen dümpelt der Klub nun schon seit längerem in der Regionalliga Südwest durch das Tabellenmittelfeld. Einst Oberhaus und Talentschmiede, heute schwäbischer Provinzfußball und zwischenzeitlich ganz schlechtes Vereinsmanagement.

Genau bei diesem Verein aber spielte eine ganze Zeit lang der wohl heute perfektionistischte Pragmatiker im Weltfußball. Thomas Tuchel, geboren in Krumbach in Bayrisch-Schwaben, war einer der Spieler, die damals für den Taktikfuchs Ralf Rangnick schon sehr wichtig auf dem Platz waren. Als Spieler wurde Thomas Tuchel dort geprägt. Drei Saisons lang, von 1994 bis 1998, war er Stammverteidiger beim SSV Ulm 1846 und kam auf 69 Spiele (drei Tore). „Rangnick hat mir das ballorientierte Spiel beigebracht“, sagt Tuchel, „das war prägend.“

In dieser Zeit ging der schlaksige Abwehrrecke aber keineswegs als Ulmer Goldochse in die Geschichtsbücher ein. Er wurde zwar einmal Deutscher Amateurmeister mit den Spatzen, aber sein Körper spielte nicht so mit wie es sein sollte. Im Jahr des Aufstiegs in die 2. Bundesliga, musste er aufgrund einer Knorpelverletzung frühzeitig seine aktive Laufbahn beenden. Und damit begann eine durchaus perfekte Trainierkarriere.

Seit seinen Anfängen als Jugend- und Bundesligacoach galt er aber nicht immer als Pragmatiker. Manch Spieler in Mainz gab ihm auch den Beinamen Diktator. Und wenn man Thomas Tuchel zuhört, dann ist da meist mehr der Perfektionist als der Pragmatiker zu hören. Er trainiert Fußball auf verschiedenartigste Weise – dabei spielen u.a. diamantene Spielfelder eine Rolle. So wenigstens nennt er das Verbot den Raum im Bereich der Eckfahne im Spiel zu nutzen, um mehr kombinatorische Spielkultur zu fördern. Sein aktuelles Meisterstück, wie jedem bekannt sein sollte, lieferte er diesen Sommer ab. Mit dem Gewinn der Champions League wurde er zum absoluten Welttrainer. Und das alles auch deswegen, weil er heute sehr pragmatisch an die Themen und die Spieler herangeht. Ein geerdeter Fußballlehrer mit herausragenden taktischen Fähigkeiten – eben schwäbisch, pragmatisch, gut!

Pragmatisches Abräumen und viele Kommandos auf dem Platz – TT beim SSV Ulm 1848

Pragmatismus allenthalben

Fast, wenn da nicht das 62 Meter-Tor von Milos Pantovic in Bochum gewesen wäre. Zugegebenermaßen in das leere Tor. Aber das ehemalige Bayern-Talent hatte wenigstens die Chuzpe es zu probieren. Und siehe da, es gelang. Mit diesem Tor konnten die Badener aus Hoffenheim endgültig besiegt werden. Ebenso recht wenig Pragmatik aber dafür viel mehr Dramatik gab es in Franken. In den letzten Spielminuten wurde das Spiel zweimal komplett auf den Kopf gestellt. Erst traf Cedric Itten in der 92 Minute zum Ausgleich für die Greuther aus Fürth ehe nur zwei Minuten später der Frankfurter Rafael Borré zur erneuten Führung und Entscheidung traf. Damit waren die Frankfurter sog. Wiederholungstäter. Beim 1:1 gegen Leipzig und beim 2:1 in Piräus sicherte ein Tor nach Ablauf der regulären 90 Minuten der Eintracht wichtige Zähler. Wirklich zweckorientiert dagegen gingen dieses Mal die Bayern vor. Durch zwei erzwungene Tore wurde ein knapper Sieg gegen die Abwehr mit den bis dato wenigsten Toren geschossen. Und das reichte aus, um die Tabellenführung zu verteidigen.

Im „Tippkick“ konnte dagegen Jonas ballorientiert die Gunst der Stunde nutzen und die Führung das erste Mal in dieser Saison an sich reißen. Völlig ungleich den Ulmer Spatzen landete er einige Volltreffer (u.a. den Sieg von Bielefeld in Stuttgart) und marschierte mit guten 14 Punkten auf den Platz ganz oben auf dem Treppchen. Auf den gleichen Punktestand kam praktischerweise Lars. Daraus resultierte ein Spieltagspunktegleichstand (was ein Wort) mit dem neuen Tabellenführer und man teilte sich brüderlich den Spieltagstippsieg (noch so ein Wort). Etwas uninspiriert und praxisfern ging dagegen Michael vor. Selbst dem VfB hielt er tipptechnisch nicht die Treue und musste daher mit mageren 2 Punkten in dieser Runde nach Hause gehen.

Milos Pantovic – 62 Meter und man kann es selbst kaum fassen

Statistisch, praktisch, optimistisch

Auftakt in das kommende Wochenende bildet ein bayrisches Derby in der Metropoliten-Region München. In Augsburg erwartet man die Bayern aus der nahen Landeshauptstadt (Platz 265 in der Liste der weltweiten Metropoliten-Regionen) zum Tanz. Sieht man der Partie ein wenig ideologisch und sehr optimistisch entgegen, dann hofft man ggf. auf ein Unentschieden für die Augsburger. Rein ideologiefrei kann es statistisch aber nur einen Sieger geben. Etwas ausgeglichener könnte es in Berlin zugehen. Die „Eisernen“ aus dem Ostteil empfangen die „Alte Dame“ aus dem Westteil der 4,026 Millionen Einwohnermetropole (Platz 125, s.o.). Normalerweise bebt da die „Alte Försterei“ – bei den neuen Inzidenzwerten könnte es aber etwas ruhiger zugehen. Im Ruhrpott, immerhin unter den Top 100 der weltweiten M-Regionen (Platz 74), nimmt es das haalandlose Dortmund mit den kriselnden Stuttgartern auf (Platz 395). Nicht nur fußballerisch sondern auch rein einwohnermäßig liegt da eine ganze Welt zwischen den beiden Vereinen und Regionen. Hoffen wir, dass die Ergebnisse am Ende für alle Seiten annehmbar sind und als sinnvoll erscheinen.

Euch ein zweckmäßiges Fußballtippwochenende

Euer Wolfgang Felix Magath

Felix Magath, Trainerzuchtmeister, Schleifer und Pragmatiker – Das Zweckmäßige kommt vor jeder Dogmatik