Runde Ecke - Ausgabe #62
Sportlerflucht aus der DDR
Liebe Fußballflüchtlinge,
seit nun mehr über 30 Jahren ist die Mauer gefallen und die Deutsche Demokratische Republik ist abgewickelt. In den 70er und 80er Jahren war aber die Fußballerflucht aus eben dieser Diktatur eine Geschichte mit vielen Facetten. Als Sportlerfluchten galten Fluchten von Sportlern in das westliche Ausland. Nach DDR-Recht waren diese als ungesetzlicher Grenzübertritt genannten Fluchten eine strafbare Handlungen. Von der Stasi wurden die von 1952 bis 1989 gezählten mindestens 615 in den Westen geflohenen Sportler auch Sportverräter genannt.
Einer dieser Sportverräter war im Jahre 1976 Nobert Nachtweih. In der Türkei bei einem Länderspiel ergriff er die Chance und konnte mit Hilfe eines Amerikaners fliehen. Dabei hat der Gesichtsausdruck die Jahrzehnte überdauert und sich bei Nachtweih eingeprägt. „Er war total verdutzt“, erinnert sich Norbert Nachtweih an jenen Moment, als ihm im Herbst 1976 der spätere Fluchthelfer seine Hotelzimmertür in Istanbul öffnete. Etwa zwei Wochen später erreichten Nachtweih und Teamkollege Jürgen Pahl, beide U21-Fußballnationalspieler der DDR, den Gießener Meisenbornweg. Die Flucht war geglückt - und zwei große Bundesligakarrieren nahmen ihren Lauf.
Dabei standen beide vor einer Bilderbuchkarriere in der DDR, aber Norbert Nachtweih hatte eben etwas anderes vor. Nach seiner Zeit in Flüchtlingsheim in Gießen stieg er in Frankfurt zum Bundesliga-Star auf, trieb mit seiner Partyleidenschaft die Trainer an den Rand der Verzweiflung, ging bankrott (Stichwort: „Frankfurter Bauherrn-Modelle“) und wurde dennoch der erfolgreichste Bundesliga-Spieler aus dem Osten. Mit dem FC Bayern gewann Nachtweih vier deutsche Meistertitel. Der damalige Manager Uli Hoeneß ist noch heute sein Freund.
Die eigentliche Flucht war im Grunde nur Zufall, aber wie die Stasi daraufhin sein Leben überwachte, konnte er sich damals nicht ansatzweise vorstellen. 1983 starb der ebenso geflohene Lutz Eigenrauch bei einem Autounfall, bei dem der Fahrer zwar 2,2 Promille hatte, aber Nobert Nachtweih ist heute der Überzeugung, dass die Stasi hier manipuliert und damit gemordet hatte. Er selbst war 1978 mit dem Auto auf dem Rückweg von einem Spiel in Kaiserslautern, als er in der Frankfurter Innenstadt plötzlich nicht mehr bremsen konnte. Die Bremsflüssigkeit war komplett weg und er hatte nach eigener Aussage Glück, dass er nicht so schnell fuhr und die Handbremse ziehen konnte. Und es ist wahr, dass er überwacht wurde. Nach seinem Wechsel von Frankfurt zu den Bayern kam heraus, dass Nachtweih seit Jahren ständig unter Beobachtung stand. Damals wurde ein Stasi-Agent enttarnt und in seinen Unterlagen fands sich immer wieder Nachtweihs Name.
Ein anderer Nebeneffekt war aber der Verlust der Möglichkeit weiterhin Nationalspieler zu sein. Die Fifa-Regeln erlaubten keinen Wechsel der „Nationen“. Somit blieb eine Karriere in der Nationalmannschaft dem schussgewaltigen Spieler verwehrt. An seiner Seite in München entwickelten sich Spieler wie Lothar Matthäus, Andreas Brehme, Klaus Augenthaler, Jean-Marie Pfaff und Hansi Pflügler zu solchen. Wahrscheinlich hätte er einen perfekten Libero im Nationalteam während der 80er Jahren gegeben. Folglich kann man festhalten: Eine Republikflucht zum damaligen Zeitpunkt öffnete und schloss einige Türen!
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Flucht nach Vorne
Sprichwörtlich die Flucht nach vorne ergriff der FC Augsburg in seinem Heimspiel gegen den FC Bayern München. Zwei schnörkellos vorgetragene Angriffe schufen 2 sehenswerte Tore und der große Favorit kam ins Straucheln. Insgesamt war es nicht unbedingt das Wochenende der jeweilig ausgerufenen Favoriten. Leipzig musste alle 3 Punkte in Sinsheim lassen, Wolfsburg kam gerade so noch zu einem Unentschieden beim Vorletzten in der Tabelle aus Bielefeld und Dortmund machte dem Begriff Arbeitssieg gegen Stuttgart alle Ehre. Gegen Ende gelang den Gelbschwarzen noch der entsprechende Siegtreffer nach einem schnell vorgetragenen Konter im eigenen Stadion. Nicht unbedingt souverän, aber damit konnten die Borussen bis auf einen Punkt an den Tabellenführer heranrücken. In Berlin wurde das Stadtduell zugunsten der Herren aus dem Ostteil entschieden. Die Hertha musste ihr Heil in der Offensive suchen, nachdem sie zwei frühe Tore kassiert hatten. Nur leider gelang ihnen die Befreiung aus dieser Notlage nicht mehr so richtig.
Kleinere Befreiungen gelangen in der Tipprunde wenigen Päpstetippern. Finn konnte mal wieder Schnäppchen überrunden, Siggi bei Karlsruhe überholen und Lars Platz zwei zurückerobern. Nicht so schlecht. Auffällig waren dabei die badischen Tippzwillinge (siehe oben). Der profunde Fußballmesstechniker Markus (man horche auf: 66 Meter Torabstand beim Weitkunstschuss in Bochum!) und sein kongenialer Messassistent Frank wendeten dieses Mal wahrscheinlich eine ungeeichte und damit weniger geeignete Messtechnik an. Andrè dagegen prognostizierte mit genauem Tippmessabstand (zwei Volltreffer) äußert geschickt und arbeitete sich an die Spitzengruppe heran. Bleibt noch Raphael zu erwähnen. Nach bescheidenen bis durchschnittlichen Ergebnissen ist er endlich wieder zurück in der Spur. Tippfluchttechnisch kein so schlechtes Vorgehen.
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Fluchtpunkt
Am ominösen 13. Spieltag müssen einige Mannschaften den richtigen Fluchtpunkt finden, um u.a. aus dem Tabellenkeller entfleuchen zu können. Mäßig erfolgreiche Herthaner treffen dabei auf die Meisterbezwinger aus Augsburg. Wer dieses Duell für sich entscheidet, entfernt sich erst einmal ein wenig von Platz 16. Diese mögliche „Desertation“ einschränken kann der VfB Stuttgart, falls er stabile Mainzer im Heimspiel besiegen kann. Nach den zuletzt gezeigten Leistungen wird dies kein leichtes Unterfangen. Aus dem oberen Tabellenbereich treffen gleich 4 der ersten sieben Platzhirsche aufeinander. Wankelmütige Wolfsburger treffen dabei auf instabile Dortmunder und launige Leipziger empfangen inkonstante Leverkusener. Viel ändern sollte das alles nicht, denn die Bayern empfangen mit der Arminia mögliches Kanonenfutter (wenn Augsburg kein Präjudiz war!). Schlussendlich, sollte die Borussia aus Gladbach ihre Fokussiertheit in Köln beibehalten, wäre ein Tabellensprung drin. Vorausgesetzt Union (bei Frankfurt) und eben Wolfsburg und Leverkusen verlieren jeweils. Dann wird aus dem angestrebten Fluchtpunkt and Siegpunkt.
Euch ein kurz- und zeitweiliges Wochenende
Euer Jürgen Pahl
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