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Runde Ecke - Ausgabe #66

Der einfache Fußball ist viel zu kompliziert

Liebe Fußballwechsler,

und wieder ist es passiert, der Jahreswechsel hat stattgefunden und wir haben den Übergang in das Jahr 2022 geschafft. In manchen Kreisen nennt man dies auch gut reingerutscht ins neue Jahr. Probleme treten normalerweise dabei nicht auf. Im Fußball sind Wechsel dagegen eine komplizierte Sache und haben schon manches Spiel noch gedreht. Ob auf dem Spielfeld oder selbst am grünen Tisch. Denn Spiele, die durch Fehler beim Wechseln beeinflusst werden, werden normalerweise gemäß Statuten für die wechselfehlerfreie Mannschaft gewertet.

Auch Otto Rehhagel fand so seinen Weg in die Geschichtsbücher. Er ist einer der Größten aller Zeiten. Wahrscheinlich eben auch durch seine Wechselfehler. Den 26. September 1998 wird der Ex-Trainer, komme was wolle, niemals vergessen. Es lief die 39. Minute des Bundesliga-Spiels zwischen dem 1. FC Kaiserslautern und dem VfL Bochum, als sich Rehhagel zum Gespött von ganz Fußball-Deutschland machte. Alles begann mit einem unglücklichen Zusammenprall von Lauterns Verteidiger Michael Schjönberg mit Bochum-Keeper Thomas Ernst. Schjönberg zog sich einen Schien- und Wadenbeinbruch zu und musste mit einer Trage vom Platz gebracht werden.

Rehhagel, sichtlich aufgewühlt und unter Zeitdruck stehend, wechselte Pascal Ojigwe ein. So weit, so gut, dachte sich Rehhagel. Sein Team führte zu diesem Zeitpunkt mit 1:0, der Halbzeitpfiff nahte. Alles paletti. Doch wenige Sekunden später merkte der Lautern-Coach, was er da gerade fabriziert hatte. Mit Ojigwes Hereinnahme spielte der Titelverteidiger jetzt mit vier Ausländern aus einem Land außerhalb Europas. Einem mehr, als das Regelwerk des DFB zuließ. Rehhagel strich sich fassungslos durch die Haare, fluchte lautstark über sich selbst und schmiedete rasch einen verzweifelten Plan, um seinen Fauxpas zu vertuschen.

Er pfiff seinen Libero Hany Ramzy, einen Ägypter, in gewohnter Manier zu sich und wechselte einige deutliche Worte mit ihm. Keine drei Minuten später sank Ramzy ohne gegnerische Einwirkung zu Boden, griff sich ans Bein und ließ sich auswechseln. Auf der Bank angelangt, zog sich Ramzy das Trikot über das Gesicht - und kringelte sich vor Lachen. An seiner Seite: Michael Ballack, ebenfalls grinsend und ungläubig mit dem Kopf schüttelnd. Alle Beteiligten wussten, dass das Spiel bereits entschieden war. "Das", scherzte Mario Basler im Nachhinein, "passiert nur großen Trainern."

Wahrscheinlich war die Nr. 13 von Pascal Ojigwe kein gutes Omen bei dieser Einwechselung 1998

Wechselhaft

So oder auch nicht leicht prognostizierbar könnte man den letzten Spieltag im alten Jahr bezeichnen. Licht und Schatten wechselten sich dabei ab. Die Bayern spielten Wolfsburg kurzerhand an die Wand. Dortmund dagegen verdaddelte gegen die Hertha aus Berlin den Pausenvorsprung. Leverkusen ging gegen Ende der Hinrunde gegen clevere Freiburger die Puste aus und angeschlagene Gladbacher mussten gegen Hoffenheim doch noch den Ausgleich hinnehmen. Für Stuttgart und Bochum gab es nochmals sog. knappe Abschlussniederlagen, die die Abstiegszone alles in allem sehr eng beieinander halten. Auch weil die Bielefelder aus Leipzig einfach einmal drei Punkte entführten und uninspirierte Augsburger gegen schwache Führterer nur ein 0:0 schafften. 33 Punkte werden heuer wahrscheinlich nicht zum Klassenerhalt ausreichen.

Das 5,8-Fache an Kicktipppunkten haben sich bereits jetzt schon Lars und André erspielt. Würde die Situation sich auch so am Ende der gesamten Spielrunde darstellen, hätten wir einen Doppelgewinn zu verzeichnen. Lars riss mit einem überlegenen Sieg am 17. Spieltag nochmals das Ruder rum. Von Platz 4 auf Platz 1. Damit hat er zum siebten Mal den Platz an der Sonne eingenommen. Das ist Hinrunden-Rekord! Für André ging es immerhin einen Platz nach oben. Jonas dagegen verlor fast schon wieder turnusgemäß seinen Tabellenplatz – nach der Erklimmung des Gipfels ging es jeweils am nächsten Spieltag wieder runter vom obersten Platz auf dem Treppchen. Aber wie Aristoteles schon zusammenfasste: „Wir sind, was wir wiederholt tun. Daher ist Exzellenz kein einmaliger Akt, sondern eine Gewohnheit.“

Marco Richters strammer Rechtsschuss – vorbei an Freund und Feind ins linke obere Toreck. Danach hatte Dortmund plötzlich 9 Punkte Rückstand auf Platz 1

Wechselvoll

Die Hinserie in der Fußballbundesliga war recht abwechslungsreich und wechselvoll, zu mindestens, was die Zuschauerauslastung betraf. Ab Sommer waren diese wieder erlaubt, aber es gab eher ein Auf und Ab basierend auf den aktuellen Regelung rund um die Covid-Pandemie. Am Ende sind wir wieder am Anfang, überall leere Stadion. Hoffentlich können wir dann wenigstens auf abwechslungsreiche Spiele hoffen. Dabei treffen einige Tabellennachbarn aufeinander. Leipzig duelliert sich mit Mainz, Leverkusen versucht Union zu besiegen, die „Alte Dame“ empfängt die „Geißböcke“ und Bochum trifft auf Wolfsburg. Das wird noch nicht viel in der Tabelle verändern. Für Stuttgart kommt es darauf an, in Fürth zu punkten, am besten dreifach. Aber vielleicht startet ja die SpVgg eine nie da gewesene Aufholjagd. Faktisch sind sie noch nicht abgestiegen. Bleiben noch Spiele wie Gladbach gegen Bayern (absagebedroht) und Freiburg gegen Bielefeld, wo die Favoritenrolle klar zuordenbar ist. Mein persönliches Highlight wird aber das Spiel Frankfurt gegen Dortmund. Egal wie es ausgehen wird, es wird torreich und hoffentlich wechselvoll.

Euch einen fehlerfreien und guten Start ins neue Jahr


Euer Marc van Bommel

Die berühmtesten Wechselfehler im Fußball sind wie das who's who' im internationalen Fußball – von Augenthaler und Benitez bis Trapattoni und Weisweiler