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Runde Ecke - Ausgabe #70

Für alle Couchtaktiker

Liebe Matchplaner,

Christoph Biermann ist ein Universaldenker des Fußballs. Niemals festgelegt, setzt er seine Neugier und sein trüffelnäsiges Gespür für seismografische Ballschwankung ein, um auch das kleinste Revolutiönchen des Fußballgewerbes weltweit zu erhaschen. Obgleich er merkwürdigerweise schon im Vorwort zu seinem Buch aus dem Jahr 2018 schreibt, er habe sie nicht gesucht, "diese ungewöhnlichen, die eigensinnigen und die schrägen Typen. Sie sind mir fast automatisch begegnet, als ich mich durch ein Terrain bewegte, das noch längst nicht abschließend kartografiert ist …". Alles in allem spricht dies für die Bescheidenheit und Cleverness des einsamen Jägers.


Denn genau diese Geschichten, wie die um diesen komischen Zahnarzt und Trainer, der eine Mannschaft von einer fiesen, kalten Insel, wo Fußball sieben Monate im Jahr noch in Höhlen (o.k., in Hallen) gespielt wird, zum Weltmeisterschaftsschreck formte, ziehen uns dank biermannscher Darstellung in ihren Bann.


Das Fußballerische kritisch betrachten, den Fußball mal als Waffe, dann wieder als Waffel der Kritik fußballerisch einsetzen, das kann Biermann gut. Den Nahtstellen dazwischen nachgehen, den Getriebenen auf den Fersen bleiben, deren Antrieb Geld und höchster Ruhm sind. Mitunter auch der Irrsinn des Bahnbrechers, den schon Udo Lindenberg in den 70ern erkannte, als er meinte: "Wahnsinn und Genie gehen Hand in Hand".


Einen tiefen Blick in die milchgläserne Welt der Strategen und Analytiker zu werfen, die zum Glück nicht immer recht haben, weil Fußball, wenigstens in den Pokalwettbewerben, immer anarchisch bleiben wird, macht mit Biermann ungeheuren Spaß. Das liegt auch an seiner leicht spröden Art der Berichterstattung. Er geht nie mit seinen Gesprächspartnern (Frauen kommen am Rand vor) ins Bett, er bleibt immer auf der Bettkante sitzen und hat wenigstens die Stutzen noch an. Sehr, sehr lesenswert, ein intelligenter Blick auf die Welt der Sterndeuter, Krümelforscher und herrlich Wahnsinnigen des Fußballs. Daher, schnabuliert das Buch!

Für alle Tablettrainer – neben einem Plan benötigt es ein Team, Lockerheit, Gesundheit et cetera pp.
Matchplan

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Die passende Lektüre für alle Couchtaktiker

Für alle Hobbystatistiker

So langsam füllen sich die Stadien wieder. In allen Bundesländern waren wieder Fans nach der kurzen Fußballpause zugelassen. Wenn auch nur spärlich. Der ehemalige Champions-League-Verein Wolfsburg hatte die Erlaubnis 500 zahlenden Zuschauern die Pforten zu öffnen. In Augsburg dagegen haben 7.600 Zwirbelnussfans schon geholfen. Gegen kruselose Unioner gelang ein verdienter 2:0-Sieg mit einem sehenswerten Treffer von Kampfmaschine André Hahn. Auch Stuttgart schoss endlich mal wieder mehrere Tore in einem Spiel. Um genau zu sein, zwei an der Zahl. Aber clevere Frankfurter konnten die Standardschwäche der Gastgeber gnadenlos ausnutzen. Für die Canstatter wird es so langsam eng. Seit diesem Spieltag sind es schon 4 Punkte Rückstand auf den drittletzten Platz. Ganz vorne dagegen bleibt rein statistisch alles beim Alten. Trotz ansehnlichem Spiel in München hatte die Bayern immer noch ein Tor mehr zu bieten als der Gegner. Auch wenn zwei davon die Leipziger selbst machten. In Dortmund gab es auch zwei solche Eigentore, hüben wie drüben. Insgesamt sogar fielen sieben Tore, auch hüben und drüben. Fünf davon drüben durch die Bayer-Truppe. Das klingt nach hervorragender Offensivpower, welche Leverkusen zu Zeit zu bieten hat.

Viel zu bieten hatte diesen Spieltag auch Schnäppchen, so rein statistisch und natürlich tipptechnisch. Angefangen vom ersten Spiel, wo er mit einem 0:0 gut dabei war, legte er am Samstag mit weiteren 3 richtigen Tippergebnissen nach. 2 davon mit voller Punktezahl. Am Sonntag konnte er den Erfolg sogar noch abrunden. Das bedeutete im Umkehrschluss einen Sprung von drei Plätzen in der Tabelle. Hier auch nochmals gerne der Hinweis, dass nach 21. Spieltagen der Abstand von Platz 9 zu Platz 1 gerade einmal 30 Punkte beträgt. Mit zwei (oder drei) guten Tipprunden ist man schnell wieder dort wo die Musik spielt. Nicht natürlich, wenn man wie Karlsruhe, Michael und F7K recht maue 4 Punkte ertippt. Aber man weiß ja nie – man ist ja kein Hellseher!

Für alle Zahlenfetischisten – Mit seinem dritten Saisontor aus 25 Metern besiegelte André Hahn das 2:0 für den FC Augsburg

Für alle Hellseher

Tippen ist wie Hellsehen oder sogar gelegentlich wie Wahrsagen. Manchmal kicken auch. Aber lasst uns mal schauen, was wir vorhersagen können für den nächsten Spieltag. Da empfangen z.B. die Leipziger modestegetriebene Kölner. Nach der knappen und eigentorlastigen Niederlage in München, würde gegen Köln schon das Abstellen dieser Schwäche viel ändern. Stellt man dann noch Anthony Modeste einen Sonderbewacher zur Seite, ist ein Sieg möglich. Der VfB Stuttgart wird es dagegen in Leverkusen schwer haben. Dazu benötigt man keine besonderen hellseherischen Talente. Freiburg und Mainz werden sich dagegen ein intensives Spiel liefern. Sollte Mainz so effektiv sein wie gegen die spielbestimmenden Hoffenheimer am vergangenen Wochenende, dann könnte eine Heimniederlage auf die Auswärtsniederlage in Köln für die Breisgauer folgen. Bleibt noch ein Blick nach Fürth. Nach einem guten Start ins neue Jahr war gegen die gleichfarbigen Wolfsburger erst mal wieder Schicht im Schacht. Gegen die leicht aufstrebende Berliner Hertha könnte es daher folgerichtig die erste Heimniederlage setzen.


Schlussendlich ist noch die Frage offen, was dies alles mit Huub Stevens zu tun hat. Für alle Matchplaner mehr der Hinweis, dass dies für den guten Huub sicherlich mehr Kokolores als alles andere war. Für alle Hobbystatistiker nur so viel, dass Hubertus immerhin vier der aktuellen Bundesligisten schon einmal selbst trainierte. Und für alle Hellseher, dass der Knurrer von Kerkrade höchstwahrscheinlich auf diese Fähigkeiten keinen Pfifferling gegeben hätte.

Euch ein durchgeplantes und hellsichtiges Wochenende auf der Couch


Euer Hubertus Jozef Margaretha „Huub“ Stevens

Das Knurren als Plan – Souverän mit Arbeitercharme ohne akribischer Matchpläne und Motivationstaktiken. Vielleicht sollte der VfB wieder umdenken