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Runde Ecke - Ausgabe #80

Es ist nichts scheißer als Platz 2

Liebe Fußballanalysten,

am vergangenen Samstag vielen in den ersten 15 Minuten überdurchschnittlich viele Tore. Ebenso konnte zum wiederholten Male in der Nachspielzeit eine Mannschaft einen sog. Lucky Punch setzen. Ideales Futter für einen Analysten. Denn heute ist es gang und gäbe Spiele aufgrund von Passquote, Laufleistung und Zweikampfwerten zu analysieren – das alles ist aus dem heutigen Fußball nicht mehr wegzudenken. Durch die zunehmende Digitalisierung im Fußball können Spieler, Trainer und Vereine die Erfolgswahrscheinlichkeit im sportlichen Bereich gezielt erhöhen. Wichtig dafür sind Spielanalysten, die sich Big Data bedienen und es verstehen, aus den immer mehr werdenden Datensätzen über Spiele, Spieler und Spielsituationen die richtigen Entscheidungen abzuleiten.


Ein solcher ist im weiteren Sinne auch Erik „Druck“ Meijer. Der ehemalige Profi ist seit 2013 bei Sky als Fußballexperte und -analyst tätig. Wer hat in den vergangenen Jahren nicht schon einmal ihn am Monitorreißbrett gesehen. Was man dann erhalten hat, war meist eine total emotionalisierte Nachbetrachtung der Spiele. In der Halbzeitpause oder direkt nach dem Spiel. Der gelernte Metzger bringt auch durch seinen Akzent Farbe in die Aufbereitung. Eine seiner Lieblingsphrasen ist dabei die Wortkombination „Druck machen“.


So u.a. geschehen nach der Hinrunden-Pleite der Dortmunder in Berlin in dieser Saison. Kurz vor dem dritten Gegentor richtete der Spieler Meunier noch auffällig seine Stutzen. "Der macht erst noch seine Socken hoch... der macht erst seine Socken hoch, sodass er die Socken gut hat, statt da zu verteidigen. Hast du das schon mal erlebt?!", wunderte sich Meijer lautstark während seiner Analyse. Solch ein „Verhalten“ hätte Meijer während seiner aktiven Fußballkarriere sicherlich nicht an den Tag gelegt, siehe hier auch seinen Zitatenkatalog, der so einige herbergereske Weisheiten bereithält.


Erik hat selbst auch noch einiges im Köcher und kann immer noch in gewisser Weise Druck ausüben, sog. „Durchhaltedruck“. Letztes Jahr hat er sich in einer ganz anderen Disziplin nach vorne gewagt. Nach 2 Jahren Training war er unter den Finishern in Roth. Unter der Überschrift „Erik sieht Roth“ hat er die Geschichte um diesen Erfolg dokumentieren lassen und kommt dabei zu der Erkenntnis, dass man auch mit über 50 Jahren noch „trainable“ ist. Durchaus scharfsinnig. Die tiefere Analyse dieser Leistung überlasse ich aber ganz euch:

Erik sieht roth

Erik sieht roth

Mein 1er @ChallengeRoth1 @SkySportDE #eriksiehtroth 3,8 km Schwimmen170 km Radfahren42,2 km Laufen100% MeijerErik Meijer Challenge Roth

Witzig und schonungslos: Die Analysen des Erik Meijer

Nur Platz 2

Ja, es gibt wirklich nichts „scheißer“ als auf Platz 2 zu landen. Bei Dortmund bin ich mir nur nicht mehr so sicher, ob der Verein dies wirklich noch so sieht. Vor dem Spiel wurde von Trainer und Sportvorstand unisono verkündet, man wolle um alles in der Welt vermeiden, den Bayern als Erster gratulieren zu müssen, zur x-ten Meisterschaft. Aber wenn du lasch den Rückraum verteidigst (wo wollte Brandt nur hin bei der Ecke?) oder Pässe nicht an den Mann bringst (was hatte Zagadou nur vor im Aufbauspiel?), dann bleibt dir nichts anderes übrig. Da hilft auch alles mediale Jammern über vermeintliche Benachteiligungen nichts. Man müsste den Dortmundern nochmals richtig klar machen, dass wirklich nichts scheißer ist, als die Vizemeisterschaft.


Das kann Bielefeld egal sein. Den noch haben sie den 2. Platz von hinten nicht sicher. Stuttgart hat immer noch alle Chancen, nach dem Spiel in Berlin auch direkt abzusteigen. Zu dieser Konstellation passt Erik Meijers Feststellung fast noch besser, denn dieser Platz und auch der 18. Platz sind sogar mehr als Scheiße. Für die Greuther aus Fürth ist diese Scheiße schon Realität. Ab nach einem Jahr zurück ins zweite Glied. Umgekehrter Weise, wie so viele prominente Fußballkommentatoren mittlerweile vielstimmig und regelmäßig behaupten, ist die 2. Bundesliga die viel spannendere und ausgeglichenere Liga. Vielleicht sollte man daher Fürth nicht bedauern, sondern einfach einmal herzlich gratulieren: Herzlichen Glückwunsch zum Abstieg!


Glückwunsch auch an dieser Stelle an HeySchiriEcke. Als Einziger den Sieg der Hertha gegen den mehrheitlich in dieser Tipprunde unterstützten VfB vorauszusagen, ist schon eine Erwähnung wert. Geholfen hat es nicht wirklich. Die rote Laterne lässt grüßen. Mit maximal 10 Punkten in der Spitze hat sich auch dieses Mal nichts im Tableau getan. Wahrhaftig gilt aber auch in dieser Tipprunde: Außer Platz 1 zählt nichts. Daher wünschen wir dem großen Finalspieltagsorganisator Lars weiterhin alles Gute, viel Glück und eine positive Weiterentwicklung!

Herzlichen Glückwunsch zum Abstieg – die 2. Liga bietet doch so viel mehr!

Erfolgreiche Weiterentwicklung

Nach der entschiedenen Meisterschaft bleibt die Frage, was kommt jetzt? Kann sich noch eine Mannschaft „entwickeln“ und aus einer erfolgreichen eine sehr erfolgreiche Saison machen. Ja klar, wie ihr alle wisst, können Union Berlin oder der SC Freiburg dieses Jahr Großes erreichen. Durch kontinuierliche Weiterentwicklung und basierend auf variablen Spielkonzepten haben sie am Ende der Saison alle Trümpfe in der Hand. Am Freitag kommt Fürth nach Berlin. Die Greuther werden den Konterkickern aus Köpenick sicherlich das Leben schwer machen, auch weil sie befreit aufspielen können. Die Freiburger sind in Hoffenheim zu Gast. Wenn die Breisgauer sowie gegen Gladbach das Spiel annehmen und bestimmen, dann dürfte die schwankende Heimmannschaft keine Chance haben, rein analysetechnisch.


Eine gewisse erfolgreiche und intellektuelle Entwicklung legte auch Thomas Broich zurück. Vom durchaus bewunderten “Mozart der Bundesliga” basierend auf seiner Spielweise, seiner intellektuellen Art abseits des Platzes und seinem Musikgeschmack über einen anerkannten TV-Experten bis hin zu einem echten „Fußballanalysten“. Denn heute ist er „Leiter Methodik“ bei Hertha BSC und damit zu einem Spielanalysten im engeren Sinne geworden. Seine Welt sind jetzt Daten, Daten und nochmals Daten, auf denen er die methodische Vermittlung von Taktik und Spielkonzeption neu aufbauen sowie das Scouting des Krisenklubs verbessern soll.


Ich wünsche euch ein anataktisches Wochenende


Euer Hobbyanalyst


PS: Nach dem Halbfinalspiel zwischen Manchester City und Real Madrid titelte die Sun: „Zerreißt das Taktikhandbuch, tretet das Whiteboard um, schmeißt den Laptop mit den Datenanalysen weg – und gebt uns einfach mehr davon bitte!“

Warm, empathisch, scharfsinnig: Der ehemalige “Mozart der Bundesliga” bietet heute in Sachen Fußballtaktik gerne Nachhilfe an