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Runde Ecke - Ausgabe #88

Fußballphantom

Liebe Tippbegeisterte,

selbst im Fußball gibt es Phantome – Trugbilder, die man sich einbildet, ja fast schon in gewisser Weise Attrappen. Das Phantom im deutschen Fußball heißt "Luftwaffen-Sportverein Groß-Hamburg", kurz LSV, und war eine zeitlich begrenzte künstliche Attrappe. Ein sportbegeisterter General der Luftwaffe hatte mitten im 2. Weltkrieg die fixe Idee, sich die Wehrmachtressource zu eigen zu machen. Denn wie man sich vorstellen kann, „dienten“ damals als Soldaten recht ansehnliche Kicker. Im "Luftgau XI", der sich von Göttingen bis Dänemark erstreckte, waren mehrere Nationalspieler eingezogen, wie etwa der Verteidiger Reinhold Münzenberg von Alemannia Aachen, Karl Miller vom Hamburger FC St. Pauli, auch ein Defensivmann, und Jakob Lotz vom 1. FC Schweinfurt 05. Nun wird keiner der hier versammelten Experten mit diesen Namen etwas anfangen können, aber auch schon damals galt, um es bis in die Nationalmannschaft zu schaffen, muss man das Fußballspiel sehr gut beherrschen.


So kam es dann auch, dass in der knapp 2-jährigen Geschichte des Vereins ein Torverhältnis von 117:13 zu Buche stand. Aus dem Stand erreichte 1942/43 die zusammengewürfelte Mannschaft das Pokalfinale sowie das Meisterschaftsendspiel. Gut, die damaligen Meister- und Pokalrunden waren nicht mehr zu vergleichen mit den Vorkriegsjahren, aber im Finale gegen den Verein First Football Club Vienna wurde das Spiel ziemlich „verschoben“. Der Schiedsrichter gab zwei Handelfmeter an den First Football Club, bei welchen in der Entstehung niemals eine Hand im Spiel war. Eine Soldatenmannschaft sollte nun doch nicht Meister werden, selbst in den damaligen Zeiten. Schlussendlich verschwand der LSV kurz darauf direkt wieder von der Bildfläche und wird heute kaum bis gar nicht mehr erwähnt in der deutschen Fußballgeschichtsschreibung. Ein Phantom der Fußballgeschichte!

Phantom der Fußballgeschichte: Die Bomben-Mannschaft

Mehr als hundert Tore in einer Saison schaffte zu Bundesligazeiten bisher nur der FC Bayern München. Wohlgemerkt vor gar nicht so langer Zeit in der Saison 2019/20. Wenn die Bayern nun so weiter machen (aktuell liegt der Schnitt bei 4 Tore pro Spiel), dann würden sie bei 136 Toren am Ende der Spielzeit landen (+19 als die Phantomkicker aus dem 2. Weltkrieg). Aber die einschlägige Fachpresse überschlägt sich gerade mal wieder in Mutmaßungen, wie und in welchen Spielen den Bayern ein gewisser Robert Lewandowski nun wirklich fehlen wird. Gegen Gladbach war dies schon der Fall. Fehlen wird auch Stuttgart ihr Strumturm! Denn ohne Sasa Kalajdzic kam nicht mehr als ein Unentschieden am Rhein heraus. Dort nahm man den Ball vom Vortag auf und spielte das gleiche Spiel wie die Bayern. Genannt Chancenwucher! Ein Spiel, bei dem es darauf ankommt, so viel Chancen wie möglich „liegen zu lassen“. Immerhin 3 Unentschieden haben die Schwaben schon erspielt und dabei 3 Tore geschossen – austorfähig!

Augen zu und durch – nur wer schießt zukünftig beim VfB die Tore?

Ausbaufähig ist auch die Bilanz unseres neuen Schlusslichts. Zwei magere Punkte und das auch noch bei vollem Bewusstsein. Ich muss Michael ja hier ganz offiziell für sein überbordendes Vertrauen in die Augsburger Sturmreihen danken. Ein 2:8 für Augsburg in Hoffenheim zu tippen zeugt von grenzenlosen Optimismus oder von einem zu tiefen Blick in die Glaskugel. Wahrscheinlich hat er aber kürzlich beim Training gekiebitzt und kam zu einer völlig andren Auffassung als der große weite Rest der Fußballtippwelt? (Anm.: Der FCA hat wie der VfB gerade einmal 3 magere Tore auf dem Konto, was 0,75 Toren pro Spiel entspricht). André dagegen leistete sich keine Orakel oder Trainingsbesuche, sondern tippte sauber übers Tippbrett. Das brachte ihn 4 Plätze nach oben und erst einmal weit weg von allen „Abstiegssorgen“ und Orakeltippern.


Am nächsten Spieltag könnte das neue Spiel (siehe oben – Chancenwucher genannt) weitergehen. Obwohl - einige interessante Partien mit Torgarantie sind schon dabei. Dortmund empfängt Hoffenheim, Frankfurt Leipzig und die Unioner die großen Bayern. Laut Pit Gottschalk (Sportjournalist) und seinen Freunden das neue Spitzenspiel der Bundesliga. Gegensätzlicher geht es nicht. Dagegen wird Schalke in Stuttgart sowie vermutlich Bochum zu Hause gegen Bremen Beton anrühren. Schon schreibt man von der großen Krise im Revier. Zwei „blaue“ Vereine auf dem Weg in die Zweitklassigkeit. Schalke war vor allem in den Vorkriegs- und Kriegsjahren sehr erfolgreich (6 der 7 Meistertitel erwarb man zwischen 1934 und 1942). Sie sind zwar kein Phantom, denn die Geschichte der Gelsenkirchener lebt und ist oft beschrieben. Aber sie könnten zu einer Art Phantom in der Bundesliga werden. Mal wieder kurz da und dann wieder schnell weg!


Euch ein phänomenales Wochenende


Euer Fußballgeschichtsonkel

Schalke 1942 vor dem Gewinn der 6. Deutsche Meisterschaft gegen den First Vienna Football Club