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Runde Ecke - Newsletter - Issue #1

Liebe Fußballreaktivisten,

es ist passiert, die Politik hat in gewisser Weise begonnen das öffentliche Leben zu reaktivieren. Dabei hat es der mächtige Fußball geschafft und ein paar Sonderregelungen erhalten. Er darf als erster Kontaktsport unter bestimmten Auflagen wieder „aktiv“ werden. Darüber kann man sich streiten. Und obwohl ich ein eingefleischter Fußballmaniac bin, bin ich mir nicht sicher, ob es „sozialkulturpolitisch“ für uns als große Völkergemeinschaft in Deutschland das richtige Zeichen ist. Lobbyarbeit zahlt sich hier immer noch vollumfänglich aus (siehe auch die Diskussion um Prämien für einen Autokauf nach Corona – selbst für solche mit Verbrennungsmotoren). Nichtsdestotrotz tut es gut im Allgemeinen ein Reaktivist zu sein. Den ein Re-Aktivist ist eine Person die sich aktiv für eine Sache einsetzt außerhalb der formellen politischen Prozesse. Dabei ist es unerheblich für was man sich einsetzt. In diesem Fall für die Wiederbelebung des sozialen Lebens nach einer Pandemie = daher sind wir die ersten Re-Aktivisten der Geschichte. Dazu trage ich gerne bei – daher bin ich gerne ein Re-Aktivist. Und dann eben auch gerne ein Fußballreaktivist.

Lasst uns daher mit dem wilden Tippen wiederbeginnen und die gute alte KickTipp App entstauben. Lasst uns wieder anfangen über banales zu diskutieren und über Dinge zu fachsimpeln, die in Wirklichkeit keiner zum Leben braucht. Lasst uns wieder Geschichten erzählen und keine Challenges beantworten, die das sinnlose Aneinanderreihen von Hochprozentigen zu Folge hat.

Da aber in gewisser Weise das Salz in der Suppe fehlen wird und ich mir das Derby Dortmund gegen Schalke vor leeren Rängen immer noch nicht vorstellen kann, hier an dieser Stelle ein Ausflug in andere Zeiten und andere Welten – die Fußballwelt in Israel. Wusstet ihr das im einzigen Land mit einer mehrheitlichen jüdischen Bevölkerung seit fast 100 Jahren eine Rivalität zweier Klubs gibt, die vergleichbar mit so vielen traditionellen Derbies ist. Barcelona gegen Real, River gegen Boca, Schalke gegen Dortmund und eben Maccabi gegen Hapoel aus Tel Aviv. In diesem Fall: Reich gegen Arm, Nationalismus gegen Liberalität. Und dies alles in einem Stadion („Bloomfield“). Auch hier gilt, vor allem für viele Hapoel-Fans, die Devise: gerne absteigen, gerne 2. Liga, lieber nicht Meister – aber Hauptsache das Derby gewinnen. Die Farben beider Vereine passen nicht ganz zum o.g. Spiel. Blau-Gelb gegen Rot-Weiß (was ein wenig an Dortmund vs. Bayern erinnert), aber die Nähe der Vereine – in diesem Fall sogar die Beheimatung in der gleichen Stadt, die bringt Feuer in das Ganze.

Hapoel ist das hebräische Wort für Arbeiter. Daher lässt sich leicht daraus ableiten, dass dieser Verein aus der Arbeiterbewegung stammt. Maccabi dagegen ging aus der gleichnamigen Bewegung vor weit über 100 Jahren hervor und steht für die Idee der Förderung der jüdischen Jugend in ihrem Bewusstsein für Religion und Staat. U.a. tut sich bis heute der Verein schwer, Spieler aufzunehmen, die arabischer Herkunft sind. Umgekehrter Weise, ist es der erfolgreichste Klub Israels (21 Meistertitel). Hapoel hingegen kommt immerhin auf 13. Den letzten davon 2010.

Kommt es zum Derby – dann ist eine Aufgeregtheit in der Stadt festzustellen, die seines gleichen sucht. Die Fanlager singen und beschimpfen sich nach Leibeskräften. Das sieht man auch an den Spruchbändern, die auf beiden Seiten verwendet werden. "Show them who we are" fordern die Maccabi-Anhänger. Die Hapoel-Seite ist eher fatalistisch unterwegs: "Bringt uns um, wir sind schon hinüber". Auf der einen Seite der reiche und selbstbewusste Club, auf der anderen Seite der idealistische und rebellische Arbeiterverein (Quelle: „Die Zeit“). Es geht um den alten Konflikt zwischen „Oben und Unten“. Es geht um Fußball als eine Ausdrucksform von Bewegungen, Emotionen und Traditionen. Ja selbst von Politik. Fußball als sozio-kulturelles Phänomen – herrlich laut, herrlich einfach! All dies ist heuer schon geschehen. Beide Klubs haben bereits zweimal gegeneinander gespielt und konnten ihre Rivalität ausleben. Leider waren es keine so guten Spiele, da Maccabi immer klar mit 3:0 gewann.

Hoffen wir also, dass es am Samstag ein gutes Fußballspiel wird, wenn es schon nicht emotional werden kann. Einer wird das Derby schon in Dortmund gewinnen. Es kann nur eine Devise geben – Augen zu und durch. Es wird eine Zeit nach Corona geben und ich hoffe inständig, dass wir auch irgendwann wieder ohne Maske ins Stadion dürfen. Bis dahin, lasst uns die Zeit nutzen und tippen was das Zeug hält.

Euch eine erfolgreiche Reaktivierung eurer Tippkünste

Euer Jochen

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