Weitschusstore

Liebe Fußballfreunde,
fast schon „inflationär“ kommt einem der aktuelle Drang einiger Fußballprofis vor, aus 50 Metern und mehr ein Tor schießen zu wollen. Betrachtet man die Auswahl zum Tor des Monats Oktober der altehrwürdigen Sportschau, basieren allein 4 eingereichte Torvorschläge auf einem Weitschuss. Aktuell netzte Tim Kleindienst zum alles entscheidenden Tor im Spiel seiner Heidenheimer gegen Stuttgart aus 53 Metern ein. Aber woher kommt der Trend, das Spielgerät aus größtmöglicher Entfernung auf das Tor zu schießen und vor allem die neue Chuzpe der Spieler, es einfach zu probieren?
Die Mutter aller Tore aus der Entfernung in der sog. fußballerischen Neuzeit kann man David Beckham zuschreiben. Jede Dokumentation über die Fußballikone beginnt mit diesem Tor. Im August 1996 spielte Manchester United gegen den FC Wimbledon. United führte bereits mit 2:0, als Beckham den weit vor seinem Tor stehenden gegnerischen Torhüter Neil Sullivan erblickte und mit einem Weitschusstor von der Mittellinie überraschte - dieser Treffer wurde im Jahre 2003 zum „Premier-League-Tor des Jahrzehnts“ gewählt. Da Dokumentationen über David gerade En Vogue sind (siehe Netflix), könnte dies ein Grund sein.
Der andere liegt ggf. in der Nationalität. Die neue Tormaschine des FC Bayern, Harry Kane, seines Zeichens ebenfalls Engländer, machte es ihm auf deutschem Boden bekanntlich gegen Darmstadt nach. Genau im Mittelkreis in der eigenen Hälfte fackelte er nicht lange und traf ins halbverwaiste Tor. Nur das ist nicht das einzige auffallende Können des Londoners in diesen Tagen. Er ist auch ein sehr passabler Vorbereiter (für die jüngere Generation unter uns: Assistgeber) und neuerdings auch „Mr. 3er-Pack“. Am Samstag im Spitzenspiel ließ er einen weiteren folgen und kommt nun auf 6 Tore in zwei Partien.
Alles recht nett, aber wahrscheinlich nicht wirklich der Grund für diese Modewelle. Apropos, der aktuellen Entwicklung des Hurrikane kann bekanntlich der Stuttgarter Serhou Guirassy nur unbeteiligt zusehen. Die Führung in den Statistiken rund um den Torjäger und Assistgeber sind mittlerweile in Kanes Hand oder besser in seinen Füßen. Vielleicht sollte Guirassy nach seiner Rückkehr auf den Platz zukünftig vermehrt es direkt von der Mittellinie aus probieren. Das wäre im Trend und würde ihm vielleicht helfen im Kampf um die Torjägerkanone zu bestehen. Zu mindestens würde er sein exzellentes Repertoire damit erweitern.

Weit gekommen ist diesen Spieltag auch F7K. Rein punkttechnisch und auch in der Tabelle. Er ist ab jetzt neuer Spitzenreiter! Aber das ist fast schon kein Wunder, bei der Ausbeute des übrigen Feldes. Die durchschnittlich ergatterten Punkte lagen gerade einmal bei 5. Das ist weit unter dem normalen Schnitt und nicht unbedingt "weit" gefasst.
Im Übrigen ist der walisische Keeper Tom King, ebenso ein Mann von der Insel, Weltrekordhalter in besagter Weitschussdisziplin. Der ehemalige Keeper des englischen League 2-Vereins Newport County hat 2021 gegen Cheltenham aus sage und schreibe 96,01 Metern (105 Yards) getroffen. Es ist von Guinness World Records offiziell als weitestes Tor in einem Profimatch anerkannt. Vielleicht erleben wir ja basierend auf dem neu entwickelten Trend kommendes Wochenende ein noch weiteres Distanztor. Dabei kann in Stuttgart ein ausgeruhter VfB die international tätigen Dortmunder nicht (nur) mit der Weitschusstechnik ärgern, aber vor allem seinen Status als „kommendes“ Spitzenteam ausbauen, auch wenn es gerade nicht mehr ganz so rund läuft. Ähnliches gilt für Leverkusen gegen Union. Die Bayer-Spieler brauchen aber nicht unbedingt "Weitweitschüsse". Sie machen es lieber mit Gefühl und viel Technik aus verschiedenen Positionen in und um den 16er.